Erstes Epilepsie-Selbsthilfeforum in Sachsen Anhalt
Veröffentlicht am: 1. November 2018Bericht vom Selbsthilfeforum „Epilepsie – und Jetzt?“ in Magdeburg vom 26. bis 27.10.2018
Das erste Epilepsie-Selbsthilfeforum in Magdeburg war ein Erlebnis sowohl für die über 80 Teilnehmer, als auch der Veranstalter, der Epilepsie-Landesverband Sachsen-Anhalt e.V.. Die Organisatoren hatten mit solch einer hohen Besucherzahl nicht gerechnet. Umso größer war die Freude und die Bestätigung, dass eine breite und intensive Öffentlichkeitsarbeit notwendig ist und sich in diesem Fall gelohnt hat. Die unterschiedlichen, aber doch sehr interessanten und wichtigen Themen sowohl beim Einsatz neuer Technik in der Epilepsiebehandlung, als auch die Probleme und möglichen sozialen Folgen, die sich aus einer Epilepsie ergeben können, zog viele Betroffene in die Jugendherberge in Magdeburg zum Veranstaltungsort.
Freitag, 26.10.2018, 17.00 Uhr bis 21.00 Uhr
Nach einer kurzen Begrüßung durch Frau Teßner, Mitglied des Vorstandes Epilepsie-Landesverband Sachsen-Anhalt.e.V., hielt PD Dr. Friedhelm Schmitt von der Universitätsklinik Magdeburg und Vorsitzender des Epilepsie-Landesverbandes Sachsen-Anhalt e. V., den Einführungsvortrag „Epilepsie und Therapie, Möglichkeit der Anfallsfreiheit durch eine neue Therapiemethode“.
Einen zentralen Kern seines Vortrages bildete der Bericht über den, erstmalig in Deutschland, konkret in Magdeburg, geplanten Einsatz einer vollkommen neuen Therapiemöglichkeit, der sog. „stereotaktischen Laser-Thermoablation“, im folgenden kurz Lasertherapie genannt. Noch im Jahr 2018 wird diese neueste wissenschaftliche chirurgische Behandlungsmöglichkeit für pharmakoresistente Patienten mit einer fokalen Epilepsie eingesetzt werden. Ausführlich und anschaulich schilderte Dr. Schmitt diese neue schonendende Möglichkeit der Operation, in welcher der Eingriff in das Gehirn ohne große Schädelöffnung erfolgt. In der Präsentation einer 2 D-Animation konnten wir erfahren, wie es dank der modernen bildgebenden Diagnostik und den neurochirurgische Operationsverfahren möglich ist, solche Eingriffe präzise und schonend durchzuführen.
Dr. Schmitt vermittelte uns einen Eindruck, wie eine solche Operation, die Laser-Therapie, erfolgt. Ohne große Schädelöffnung kann mit Hilfe einer Lasersonde die Hirnregion, in der die epileptischen Anfälle entstehen, abgetragen werden. Das Prinzip und das Ziel – nämlich die Ausschaltung des Anfallsfokus – sind die gleichen, wie bei der bisherigen „offenen“ Operation. Der Vorteil bei dieser Methode ist, dass über ein kleines Bohrloch diese feine Lasersonde ins Gehirn geschoben wird. Dabei wird der Epilepsie-Herd durch Überwärmung des kranken Nervengewebes bei über 40 Grad/Celsius verödet, „verbruzelt“, wie er es spaßeshalber nannte. Dabei wird während der Verödung die Temperatur des Nervengewebes im Kernspintomogramm (MRT) – im übertragenen Sinne funktioniert das MRT wie ein dreimensionales Fieberthermometer gemessen. Vorher markiert der Neurochirurg benachbarte Regionen, bei denen eine Gefährdung von gesundem Nervengewebe besteht, so dass der Laser bei Erreichen von Temperaturen von zum Beispiel 40° sich selbst abschaltet. Bei zu hohen Temperaturen, sodass sich möglicherweise eine Gefährdung auch von gesundem Nervengewebe besteht, schaltet sich der Laser automatisch ab. Diese Temperaturen liegen bei über 40 °.
Seit 2012 ist dieses Therapieverfahren bereits in den USA erfolgreich im Einsatz, seit 2018 ist es offiziell in Europa zugelassen. Das Interesse war riesig unter den Teilnehmern. Voller Spannung nahmen die Teilnehmer am Vortrag über eine Stunde den Ausführungen teil, einfach zuhörend oder auch aktiv, durch Zwischenfragen. Im Anschluss antwortete er zahlreichen Besuchern Fragen, die sich meist auf ihre eigene Erkrankung und die Möglichkeit des Einsatzes einer Lasertherapie bezogen. Mit dieser Art des chirurgischen Eingriffs werden nicht nur Ängste vor einer großen Operation genommen.
Dr. Schmitt berichtete ebenso, dass die Lasertherapie ein sehr sicheres und präzises Verfahren in Epilepsiechirurgie ist und auch bei keinem sofort eintretenden Erfolg mehrfach wiederholt werden kann. Außerdem wären die bereits etablierten und offenen Operationsverfahren immer noch im Nachhinein anwendbar, man würde also „nicht verlieren“, wenn man sich zuerst für die „Lasertherapie“ entschiede. Wie bei allen operativen Verfahren sei aber die gute Patientenauswahl ein wichtiges Kriterium für den Erfolg, d.h. nicht jede fokale Epilepsie käme in Frage. Aus diesem Grund arbeitet Magdeburg auch mit vielen anderen Epilepsiezentren zusammen.
Den zweiten Teil des Abends gestalteten Vertretern von Epilepsieberatungsstellen. Dipl.-Soz.päd. Sabine Brückner von dem Epilepsiezentrum Dresden-Kleinwachau und Janine Ahrend, B.A. Gesundheitswirtin/-managerin von der Epilepsieberatungsstelle Magdeburg, begründeten durch die Schilderungen über mögliche soziale Folgen eines Epilepsiekranken, die Notwendigkeit von Epilepsieberatungsstellen. Oftmals nehmen Betroffene ihre Rechte als Epilepsiekranke nicht wahr, alleine aus dem Grund, dass sie diese nicht kennen. Zum anderen sind sie oft nicht in der Lage bestimmte Rechte selbstständig einzufordern, z.B. in Beruf und Arbeit, Schwerbehindertenrecht, Versicherungsrechtliche Fragen, um hier nur einen kleinen Ausschnitt zu benennen. An Fallbeispielen hat Sabine Brückner Schwierigkeiten im Leben aufgeführt und die Möglichkeit, dass viele Angelegenheiten mit Hilfe von professioneller Hilfe gelöst werden können. Konkrete rechtliche Bestimmungen bilden die Grundlage für die Arbeit von Beratungsstellen. Die Mitarbeiterinnen/Mitarbeiter sind dementsprechend geschult bzw. ausgebildet.
Janine Ahrendt verwies in ihrem Bericht auf die regionalen Probleme und die wichtigsten Ansprechpartner für die Hilfeleistung in Sachsen-Anhalt. Für 70000 Epilepsiekranke in Sachsen-Anhalt reichen keine 10 Stunden Epilepsieberatung in der Woche, wie sie zur Zeit von der Rentenversicherung Mitteldeutschland finanziell gefördert wird. Janine Ahrendt arbeitet hauptamtlich erst seit Juli 2018 beim Landesverband Sachsen-Anhalt. Die Stelle ist jeweils nur befristet finanziert. Es ist nie sicher, ob dieser Arbeitsplatz von einem Jahr zum anderen erhalten bleiben kann, z.B. bei ausbleibender Förderung durch die Rentenversicherung, ein Beantragungsfehler etc.. Eine einheitliche flächendeckende Absicherung von Epilepsieberatungsstellen in der gesamten Bundesrepublik ist einfach erforderlich, im Interesse der Epilepsiekranken, aber auch zur eigenen Sicherheit der Epilepsieberater/innen. Die am Tag der Epilepsie 2018 in Trier verabschiedete Petition der Epilepsieselbsthilfe Deutschland, wurde in diesem Zusammenhang bekannt gegeben.
In Bernburg wird auch eine Epilepsieberatung angeboten, aber diese erfolgt fast ausschließlich für die Patienten des AMOES-Klinikums.
Gundula Kubczyk berichtete von ihren Erfahrungen aus der Selbsthilfearbeit. Mittelpunkt bildet dabei der regelmäßige Treff der Selbsthilfegruppe für Epilepsie in Magdeburg in der Scharnhorstring 18. Seit Jahren wird außerdem in der Kontakt-und Beratungsstelle Magdeburg, eine Beratung von „Betroffenen für Betroffene“ durchgeführt. Teilweise erfolgt diese vor Ort, aber auch über das Telefon. Der große Unterschied zu den hauptamtlich arbeitenden Mitarbeiter/innen besteht darin, dass die Selbstbetroffenen am besten die Probleme und die Gefühle der anderen kennen. Nur sie wissen wirklich, wie es sich anfühlt vor und nach einem Anfall. Das können weder Arzt/Ärztin, noch Mitarbeiter/innen in Epilepsieberatungsstellen empfinden. Da werden Emotionen frei, wenn Epilepsiekranke merken, dass sie nicht allein sind mit ihrer Krankheit. Für viele Betroffene ist das ein großer, manchmal einziger Halt.
Deshalb ist auch eine Beratung von „Betroffenen für Betroffene“ nicht nur wichtig, sondern einfach notwendig.
Sonnabend, 27.10.2018, 10.00 Uhr bis 14.00 Uhr
Am darauf folgenden Tag, Sonnabend, 27.10.2018, konnten wir 10.00 Uhr Sarah Jörgensen (früher als Bischof bekannt)begrüßen. Ihre Buchlesung als Autorin des Buches „Panthertage“ war von Erfolg gekrönt. Es gelang ihr in einer offenen überschaubaren Gesprächsrunde die Betroffenen nicht nur als Autorin, sondern auch als Selbstbetroffene in ihren Bann zu ziehen. Es fanden leider nicht so viele Betroffene den Weg zur Veranstaltung am Vortag. Das hatte aber auch einen großen Vorteil für alle Teilnehmer. Es gestaltete sich von Anfang an eine offene Runde von Menschen, die eins verbindet, wie kaum ein anderes Problem oder Ereignis in ihrem Leben, die Epilepsie. Sarah eröffnete ihre Lesung und bereits nach dem ersten Kapitel war jedem Betroffenen klar, dass er geschilderte Erlebnisse in ähnlicher Weise selbst gesammelt hatte.
Sarah zog alle Zuhörer in das Geschehen aktiv ein. Es gestaltete sich nicht nur ein offener Gedankenaustausch, sondern ein Workshop, indem vier kleine Gruppen für sich herausarbeiteten, welche Probleme sie am meisten berühren oder berührten im Leben und vor allem, was hat mir Kraft gegeben, aus Problemsituationen selbstständig herauszufinden.
Wir konnten die „Panthertage“ und einen Gedankenaustausch im Wechsel von Lesung und Gespräch erleben, wie wir es nie erfahren hätten, wären mehr Besucher gekommen. Aus Teilnehmer waren Beteiligte am Geschehen geworden. Alle waren emotional sehr berührt. Jeder hat sich gern mitnehmen lassen in die „Panthertage“. Vielfach wurden aus eigenem Erleben Anekdoten in einer offenen Art und Weise erzählt, gute und schlechte Erfahrungen ausgetauscht, was vielen Epilepsiekranken oftmals schwer fällt. Den anderen Teilnehmern hat es nicht nur sehr gut gefallen, sondern auch sehr viel gegeben. Es war ein „Geben und Nehmen“.
Abschließend wurden Vorschläge für weitere Veranstaltungen im kommenden Jahr gemacht. Ziel soll es sein, dass auch in anderen größeren Städten von Sachsen-Anhalt die Selbsthilfearbeit besseren Boden fasst. Das betrifft Städte vorerst wie Dessau, Bernburg, Halle und Magdeburg. Je nach Kapazität und finanziellen Möglichkeiten wird versucht, dass Veranstaltungen in ähnlicher Form durchgeführt werden können.
Das Resümee lautete:
Es war ein sehr gelungenes Selbsthilfeforum, welches in jedem Jahr wiederholt werden sollte.